Die Colonia Ulpia Traiana
Willkommen zu einer faszinierenden Zeitreise durch die Geschichte der Colonia Ulpia Traiana, des römischen Xanten – in der Antike lag hier eine der größten Metropolen in den germanischen Provinzen des Römischen Reichs. Zu ihrer Blütezeit füllten mehr als zehntausend Männer, Frauen und Kinder die Straßen der Stadt mit Leben. Die Spuren, die sie im Boden hinterlassen haben erzählen die Geschichte von ihrem Leben an der nördlichen Grenze des Imperiums.
Erste Siedler und die Legionen Roms
Die römische Geschichte Xantens beginnt bereits lange vor der Gründung der Colonia mit der Ankunft der Legionen. Zu dieser Zeit war der Niederrhein nur dünn besiedelt. Das änderte sich schlagartig mit der ersten Rheinoffensive des römischen Kaisers Augustus. Mit der Ankunft der Legionen um 13/12 vor Christus entstand das erste Legionslager auf dem Fürstenberg. Fortan war immer mindestens eine Legion im Xantener Raum stationiert.
Das Zweilegionenlager im 1. Jahrhundert nach Christus war zeitweise eines der wichtigsten Stützpunkte des gesamten Imperiums. Straßen, Wasserwege und ein Hafen versorgten die bis zu zehntausend Legionäre vor Ort. Die steigende Kaufkraft lockte auch zahlreiche Zivilisten an den Ort – eine Siedlung entstand.
Gründung und Blütezeit der Colonia Ulpia Traiana
Nach dem Aufstand der germanischen Bataver im Jahr 69/70 nach Christus wurde ein Teil der zerstörten Siedlung wiederaufgebaut. Etwa dreißig Jahre später wurde ihr von Kaiser Traian der Status einer Colonia verliehen. Das römische Xanten gehörte damit zu den 150 hochrangigsten Städten des gesamten römischen Imperiums. Alte Straßen wurden niedergelegt und eine Fläche von 73 Hektar mit einem rechtwinkligen Straßenraster bebaut. An der Kreuzung der beiden neuen Hauptstraßen legte man ein Forum als politisches und geschäftliches Zentrum sowie das Kapitol als wichtigsten Tempel für die Staatsgötter an. Auch für einheimische Gottheiten war in der Colonia Platz. Die Blütezeit der Colonia war das 2. Jahrhundert. Handel, kultureller Vielfalt und wirtschaftlichem Aufschwung prägten diese Zeit. Alle großen Bauwerke stammen aus dieser glanzvollen Epoche der Stadt.
Die Stadtbevölkerung
Mit der Ernennung der Stadt zur Colonia erhielten die Einwohner das römische Bürgerrecht. Dies schloss alle rechtlichen und steuerlichen Privilegien ein. Wo vorher erst das germanische Stammesrecht und dann die Legionen das Sagen hatten, regierte nun eine zivile Verwaltung mit öffentlichen Ämtern nach dem Vorbild Roms. Die Bevölkerung war multikulturell: Menschen unterschiedlichster Herkunft, darunter Römer, Germanen und Gallier, kamen in Xanten zusammen. Die sprachliche Vielfalt war groß – man sprach nicht nur Latein. Römer war, wer an der Kultur teilhatte. Ganz ähnlich verhielt es sich bei den Soldaten im nahe gelegenen Legionslager. Nicht wenige ließen sich nach ihrem Ausscheiden aus dem Militärdienst mit ihren Familien in der Colonia nieder. Auch aktive Soldaten nahmen am städtischen Alltag teil, nicht zuletzt bei der Errichtung der großen städtischen Bauten.
Den Großteil der Bebauung machten aber einfache Wohnhäuser aus. Die einfachen Leute in der Colonia wohnten überwiegend in so genannten Streifenhäusern. Sie waren typisch für die Siedlungen in den nordwestlichen Provinzen. Die Häuser zeichneten sich durch eine lange und schmale Form aus. Werkstätten und Verkaufsräume lagen an der Straße, die Wohnräume befanden sich im hinteren Teil des Hauses oder in der ersten Etage. Wohlhabendere Leute konnten sich in Ihren Häusern aufwendigere Wandmalereien und Bodenbeläge, Fußbodenheizungen, Skulpturen, kostbare Möbel und teures Tafelgeschirr leisten.
Ein großer Teil der einfachen Bevölkerung verdiente sich seinen Lebensunterhalt mit handwerklichen Arbeiten. Heute lassen sich diese Bewohner*innen noch durch Werkzeuge und Produktionsreste nachweisen. Die Funde lassen auf Fleischer, Bäcker, Schmiede, Bronzegießer, Schlosser, Maler und viele weitere Berufszweige schließen. Daneben gab es alle Arten von Dienstleistungen und Händler, die Waren aus dem ganzen Reich anboten. Güter des täglichen Bedarfs führte man ebenso wie Baustoffe und Luxusartikel vor allem über den Hafen ein. Der Rhein blieb die Lebensader der Stadt. Im Umland der Colonia war die Landwirtschaft der wichtigste Erwerbszweig. Weil die Qualität der Böden am Niederrhein für einen ertragreichen Ackerbau kaum ausreichte, lag der Schwerpunkt auf der Viehhaltung. Unzählige Knochenfunde zeugen von einer guten Versorgung mit Fleisch.
Die 30. Legion
Im 2. Jahrhundert hatte die 30. Legion einen wichtigen Anteil am Wohlstand der Stadt. Sie lag seit 122 nach Christus südlich der Colonia auf dem Fürstenberg, wo bereits frühere Legionen stationiert waren. Für rund zweihundert Jahre blieb sie die „Hauslegion" der Colonia. Heute ist von dem Lager nichts mehr zu sehen, da es im Mittelalter durch Rheinverlagerungen zerstört wurde. Bereits in römischer Zeit änderte der Rhein seinen Lauf und entfernte sich zunehmend von der Colonia. Als der lebenswichtige Hafen allmählich verlandete, errichtete man eine neue Anlegestelle in einiger Entfernung vor den Stadtmauern. Bald bahnten sich jedoch andere Entwicklungen an, die den Wohlstand der Colonia weit stärker bedrohten als der launische Fluss.
Herausforderungen und Niedergang
Im 3. Jahrhundert erschütterten innere Wirren und äußere Bedrohungen das Römische Reich. Dies führte dazu, dass die Colonia von den Franken überrannt und zerstört wurde. Nach den Einfällen wurde das Stadtgebiet stark verkleinert und mit einem stabilen Mauerwerk befestigt. Der Name dieser Befestigungsanlage war vermutlich Tricensimae. Die ältere Bebauung außerhalb der Festung legte man größtenteils nieder. Funde aus dem 4. Jahrhundert lassen vermuten, dass das städtische Leben aufgrund von ständig andauernden Unruhen in dieser Zeit schlussendlich versiegte.
Nachrömische Ära und das Christentum
Nach dem Ende der römischen Epoche siedelten die Franken außerhalb der alten Stadt in einzelnen Gehöften und kleinen Dörfern. Die römischen Einflüsse auf ihre Kultur ist im Xantener Raum bislang nur in den Gräbern unter dem Dom und in einigen nahe liegenden Örtchen fassbar. Das Areal der Colonia verfiel und die Steine wurden für den Bau der mittelalterlichen Stadt Xanten wiederverwendet. Der Name "Xanten" leitet sich von "ad sanctos" („zu den Heiligen") ab und verweist auf zwei frühchristliche Märtyrergräber, die man im spätrömischen Friedhof südlich des Colonia-Geländes gefunden zu haben glaubte. Über diesem Gräberfeld entstanden bereits ab dem 5. Jahrhundert kleinere Gedenkbauten. Später, im 8. Jahrhundert, entstand ein kirchliches Stift. Ein halbes Jahrtausend später begann man mit dem Bau des Xantener Doms. Er besteht, ebenso wie viele andere Gebäude in der weiteren Umgebung, großenteils aus Steinen, die die Römer einst für den Bau der Colonia nach Xanten importiert hatten.